www.echthoerbuch.de, August 2005
Der Verbrecher aus verlorener Ehre
Man liest immer mal wieder den Titel dieses Werks von Schiller, aber man hat nicht wirklich den Eindruck, dass er sehr bekannt sei und vor allem dass die Leute mehr als nur den Titel kennen. Auch mir war dieses Stück bisher nur vom Namen her bekannt. Zu Unrecht. Der Verbrecher aus verlorener Ehre ist ein inhaltlich sehr bedeutendes und immer noch topaktuelles Stück. Neben Nathan der Weise ist diese Erzählung eines der bedeutendsten deutschen Werke zum Thema Toleranz und Verständnis.
Zwar beginnt das Stück eher ruhig und man hat als Hörer eine gewisse Distanz zur Person des Sonnenwirts und zur Handlung. Dies ist durchaus beabsichtigt, in einem Vorwort kündigt Schiller genau diese Absicht an. Im weiteren Verlauf beginnt sein Schicksal aber, den Hörer zu packen. Man lauscht dem zwangsläufigen Untergang (hiermit wird nicht viel verraten, denn auch dies kündigt Schiller in seinem Vorwort bereits selbst an) eines Mannes, der zwar ursprünglich durch eigene Fehler auf eine schiefe Bahn gerät, der dann aber gegen seinen Willen von der Gesellschaft und deren Intoleranz immer tiefer und tiefer gerissen wird. Schiller hält uns allen damit einen Spiegel vor, und jeder wird sich darin erkennen.
Erstaunlich ist neben der äußerst gelungenen Analyse des Untergangs des Sonnenwirts auch die Sprache. Ein Drama von Schiller, das kann für einen durchschnittlichen Hörer ja nur schwierig zu hören sein, oder? Weit gefehlt. Schiller schrieb dieses Werk so, als würde jemand abends aus seinem Leben erzählen. Er schildert die Vorgänge in einer einfachen, leicht verständlichen Sprache.
Überzeugen konnte auch Stephan Schwartz als Sprecher. Der größte Teil der Geschichte wird aus der Ich-Perspektive des scheiternden Verbrechers erzählt. Dadurch wird die Geschichte persönlicher, und dies kann Stephan Schwartz mit einem Tonfall der Sympathie und Mitleid erregt, ohne sich beim Hörer anzubiedern, perfekt umsetzen. Die perfekte Stimme und der perfekte Tonfall zu einer großen Geschichte.
Weiterer Glanzpunkt: eine Kurzbiographie von Schiller am Ende des Hörbuchs. Und dazu noch das unschlagbare Preis-/Leistungsverhältnis!
Dirk Jacob/echthoerbuch.de